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Die Freenet Philosophie

Von Ian Clarke

1. Disclaimer (Haftungsausschluss)

Es gibt viele Gründe sich für das Freenet Projekt zu engagieren. Manche teilen die Ausführungen in diesem Text, manche sehen es etwas anders, haben aber die gleichen Ziele; und manche haben einfach Spass an der technischen Herausforderung. Dies sind die Ideen, die mich anfänglich motivierten, Freenet zu entwickeln. Sie sind jedoch nicht zwangsläufig die Sicht aller, die sich an diesem Projekt beteiligen.

2. Empfohlene Lektüre

Zum besseren Vertändnis dieses Dokuments, sollte man wissen was Freenet überhaupt ist. Einen guten Überblick bietet die Seite Was ist Freenet?

3. Die Bedeutung des freien Informationsaustauschs

In den westlichen Kulturen wird die Redefreiheit allgemein als eines der wichtigsten, individuellen Rechte angesehen. Warum ist es so wichtig, Ideen und Meinungen ungehindert austauschen zu können? Darauf gibt es mehrere Antworten.

3.1 Es ist die Kommunikation, die uns zu Menschen macht.

Einer der offensichtlichsten Unterschiede zwischen Mensch und Tier ist unsere Fähigkeit, komplexe und abstrakte Ideen zu kommunizieren. Auch wenn wir immer wieder feststellen, dass die Kommunikation unter Tieren höher entwickelt ist als bisher angenommen, ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass irgendein Tier jemals unsere Fähigkeiten auf diesem Gebiet erreichen wird.

3.2 Wissen ist grundsätzlich gut.

Stellt man Menschen vor die Wahl, etwas zu wissen oder nicht zu wissen, werden sie sich immer für mehr Information entscheiden - nicht weniger. Kriege wurden gewonnen und verloren durch Kenntnisreichtum. Kenntnisreichtum erlaubt uns bessere Entscheidungen zu treffen, sichert unser Überleben, macht uns erfolgreich.

3.3 Demokratie erfordert eine gut informierte Bevölkerung

Viele Menschen leben heute in demokratisch gewählten Regierungen - und alle anderen würden es wohl gerne. Demokratie ist die Antwort auf die Frage, wie man politische Führer erschafft, ohne dass sie ihre Macht missbrauchen können. Man erreicht dies, indem der Bevölkerung das Recht gegeben wird, die Regierung durch Wahlen zu kontrollieren. Die Wahlberechtigung bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass man sich in einer Demokratie befindet. Um eine Regierung effektiv zu kontrollieren, muss die Bevölkerung wissen, was ihre Regierung macht - sie muss gut informiert sein. Es ist eine Feedback-Schleife. Diese Schleife kann jedoch kaputt gehen, wenn die Regierung die Informationen kontrollieren kann, zu denen die Bevölkerung Zugang hat.

4. Zensur und Freiheit

Jeder weiß seine Freiheit zu schätzen, manche sogar so sehr, dass sie dafür sterben würden. Dem Mensch gefällt der Gedanke, völlig frei jede beliebige Meinung annehmen und vertreten zu können - vor allem in der westlichen Welt. Stellen Sie sich nun vor, jemand hätte die Fähigkeit alle Informationen zu kontrollieren, zu denen Sie Zugang haben. Damit hätte er die Möglichkeit Ihre Meinung zu manipulieren: Indem er Fakten verschweigt, lügt und alles zensiert was seinen Lügen widerspricht. Es handelt sich hier nicht um eine Orwellsche Fiktion, sondern um das Alltagsgeschäft in den meisten westlichen Regierungen. Sie belügen die Bevölkerung so sehr, das es inzwischen als normal empfunden wird, obwohl damit die wichtigsten demokratischen Prinzipien verletzt werden, die die Existenz der Regierung erst rechtfertigen.

5. Die Lösung

Es gibt nur einen Weg die Effizienz einer Demokratie zu erhalten. Es muß sichergestellt werden, dass die Regierung keine Kontrolle über den Informationsaustausch bzw. die Kommunikation ihrer Bevölkerung erhält. Solange alles was wir sehen und hören, gefiltert ist, solange sind wir nicht wirklich frei. Ziel von Freenet ist es, zwei oder mehr Personen die Informationen austauschen wollen, dies zu ermöglichen.

6. Ist Zensur nicht gelegentlich doch nötig?

Natürlich sind nicht alle Probleme schwarz oder weiß, und es gibt viele die glauben, dass Zensur in gewissen Situationen doch eine gute Sache ist. So ist z.B. das Verbreiten von Informationen die man für rassistisch hält, in vielen europäischen Ländern verboten. Die Regierungen versuchen die Menschen daran zu hindern, für Ideen einzutreten, die für gesellschaftsschädigend gehalten werden. Darauf gibt es zwei Antworten:

Erstens kann man den Mächtigen nicht erlauben "richtige" Zensur auszuüben, ohne sie damit gleichzeitig zu "falscher" Zensur zu berechtigen. Jegliche Art von Zensur erfordert die Beobachtung und damit auch die Restriktion von Kommunikation durch die Regierung. Es wird inzwischen kritisiert, dass die Anti-Rassismus Zensur in vielen europäischen Staaten die legitime historische Aufarbeitung von geschichtlichen Ereignissen wie z.B. dem zweiten Weltkrieg behindert.

Zweitens ist diese "richtige" Zensur selbst dann kontraproduktiv, wenn sie nicht auf andere Bereiche ausgeweitet wird. Es ist beispielsweise generell besser, wenn man jemanden von etwas überzeugen will, auch die Gegenargumente zu nennen und zu beantworten. Jeder Versuch die Menschen daran zu hindern, die oft raffinierten Argumente der Rassisten zu (er)kennen, macht sie leider nur anfälliger für diese Argumente, falls sie irgendwann doch mit ihnen konfrontiert werden.

Natürlich ist das erste Argument das stärkere, und bleibt auch wahr falls man das zweite nicht akzeptiert. Grundsätzlich gilt: Entweder es wird zensiert oder es wird nicht zensiert. Dazwischen gibt es nichts.

7. Aber wozu Anonymität?

Es gibt keine Redefreiheit ohne die Möglichkeit anonym zu bleiben. Zensur ist überwiegend retrospektiv. Es ist im allgemeinen viel einfacher die Redefreiheit einzuschränken, indem man die Betreffenden hinterher bestraft, als sie vorher an deren Ausübung zu hindern. Anonymität ist der einzige Weg dies zu verhindern. Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, anonymen Informationen sei nicht zu trauen. Das ist nicht unbedingt richtig. Durch digitale Signaturen kann man sichere, anonyme Pseudonyme erstellen, die mit der Zeit als vertrauenswürdig anerkannt werden. Freenet bietet durch sog. "subspaces" genau diese Möglichkeit.

8. Und das Copyright?

Natürlich hat die Copyright-Problematik viel zu Freenets Publicity beigetragen. Deshalb möchte ich mich kurz dazu äußern. Das Kernproblem ist, dass die Durchsetzung des Copyrights eine Beobachtung der Kommunikation erzwingt, und niemand kann die Redefreiheit garantieren, wenn man unter ständiger Beobachtung steht. Das ist sehr wichtig. Viele Leute erkennen oder nennen diesen Punkt nicht, wenn es um die Copyright-Frage geht, deshalb noch einmal klipp und klar:

Redefreiheit und die Durchsetzung des Copyrights sind nicht vereinbar.

Aus diesem Grund muss ein System wie Freenet, das zum Schutz der Redefreiheit entworfen wurde, die Durchsetzung des Copyrights verhindern.

9. Aber wie können die Künstler ohne Copyright vergütet werden?

Erstens: Wenn das Copyright die einzige Möglichkeit wäre, die Künstler für ihre Arbeit zu vergüten, dann behaupte ich, dass die Freiheit wichtiger ist, als professionelle Künstler zu haben. (Jeder der sagt, es gäbe dann keine Kunst, hat keine Ahnung von Kreativität: Der Mensch wird immer Kunst erschaffen, es ist ein innerer Zwang, die Frage ist nur, ob er davon leben kann).

Zweitens ist die Effektivität des Copyrights auch heute schon fraglich. Die Musikindustrie ist einer der stärksten Gegner wenn es um Verbesserungen in der Kommunikationstechnologie geht. Gleichzeitig sagen viele Künstler die durch Copyrights bezahlt werden sollten, dass sie dadurch nicht angemessen vergütet werden. Stattdessen ist es Mittelsmännern gelungen, die Distributionswege unter ihre Kontrolle zu bringen - zum Nachteil der Künstler wie der Öffentlichkeit.

10. Alternativen zum Copyright

Glücklicherweise wird es dazu nicht kommen, denn es gibt viele Alternativen zur Vergütung von Künstlern. Die einfachste sind freiwillige Zahlungen. Eine Erweiterung des Mäzenatentums, das vor dem Copyright oft für die Entlohnung der Künstler sorgte. Ein reicher Gönner finanzierte einen Künstler, so dass dieser sich ganz seiner Kunst widmen konnte. Das Internet ermöglicht eine interessante Erweiterung dieser Idee. Statt eines einzigen reichen Gönners, könnte es Hunderttausende geben, die kleinere Beträge über das Internet spenden.

Wir praktizieren hier auch das, was wir predigen. Am 15. März 2001 begannen wir Spenden anzunehmen und innerhalb einer Woche hatten wir über 1000$ gesammelt.

11. Komplexere Ansätze: Fairshare

Natürlich werden sich jetzt einige kringeln vor Lachen (vermute ich) weil doch niemand so blöd ist, ohne Zwang für etwas zu bezahlen (trotz vieler Gegenbeweise). Ich sehe deren recht depremierendes Menschenbild zwar anders, es gibt aber auch weiterentwickelte Systeme die mehr auf den Eigennutz der Leute ausgerichtet sind, wie z.B. "Fairshare". Dort kann man sich in einen Künstler einkaufen, in der Art wie man Risiko-Kapital in eine Idee investiert die einem gefällt - und wenn der Künstler Erfolg hat, wird man entsprechend seiner anfänglichen Einlage dafür entlohnt. Das hat den schönen Nebeneffekt, dass die Leute einen Anreiz haben, Geld in obskure Künstler zu investieren, an deren Potential sie glauben. Wenn das Investment flöten geht, hat man immer noch die Befriedigung einen Künstler gefördert zu haben, dessen Arbeit man mag.

transl. pekerner@yahoo.com