Neues Spiel, neue Regeln!

Antwort auf den offenen Brief von Holger Schatz an die Krisis-Redaktion anlässlich des Textes "Das Spiel ist aus" und zugleich Versuch einer Präzisierung der Kritik an der falschen linken Toleranz gegenüber dem "antideutschen" Bellizismus

von Norbert Trenkle

1.

Was Holger Schatz – wie alle bisherigen Kritiker – der Polemik "Das Spiel ist aus" in erster Linie vorwirft, ist, neben Ton und Duktus, die scharfe Kritik am Münchner Spiel-ohne-Grenzen-Kongress (SPOG). Auf Ton und Duktus komme ich gleich noch zu sprechen. Was aber den Kongress betrifft, sind einige präzisierende und hoffentlich auch klärende Bemerkungen offenbar dringend notwendig. Vorweg sei zunächst einmal daran erinnert, dass der Kongress natürlich nicht der eigentliche Gegenstand der Kritik ist, sondern nur ihr Anlass. Ein freilich signifikanter Anlass, denn zumindest in der Art und Weise wie sich der Kongress selbst vorstellt, (www.spiel-ohne-grenzen.org) wird deutlich, dass er Ausdruck und Fortsetzung einer immer unerträglicheren Tendenz in der sich als radikal verstehenden Linken sein soll. Er steht also für etwas Bestimmtes. Und diese Etwas ist ein in weiten Teilen der deutschen Linken akzeptierter teils stummer, teils offener Konsens darüber, dass erstens jede soziale Bewegung überhaupt und die Antiglobalisierungsbewegung im Besonderen nur noch als mindestens potentiell antisemitisch und völkisch abgekanzelt werden darf. Und dies zumeist auch noch von einem Standpunkt aus, der, wenn er einmal die Ebene der "Ideologiekritik" verlässt, sich als hoffnungslos befangen in genau jenem Traditionsmarxismus entpuppt, den er übrigens vollkommen zu Recht für die verkürzte Kapitalismuskritik (der Bewegungen) mit verantwortlich macht.

Zweitens hat sich unter dem aggressiven, mehr moralischen als theoretisch ausgewiesenen, Diktat der "antideutschen" Ideologie in weiten Kreisen dieser linken Szene eine unreflektierte Apologetik der "westlichen Werte" durchgesetzt; jener Werte also, die als Reflex der Warenform deren Herrschaft nicht nur immer schon sekundiert und legitimiert haben, sondern auch den Sexismus, den Rassismus, den Antisemitismus und andere projektiv-gewaltsame Verarbeitungsformen der eigenen Irrationalität hervorgebracht haben; jener Werte, die heute zur ideologischen Begleitmusik des irrwitzigen Amoklaufs des kollabierenden kapitalistischen Weltsystems mutieren, mit dem sie untrennbar verbunden sind.

Drittens schließlich wird vor diesem Hintergrund eine Art von linkem "Pluralismus" praktiziert, in dem wie selbstverständlich auch Leute ihren Platz haben, die ernsthaft darüber räsonieren, ob es einen "emanzipatorischen Fortschritt" darstelle, wenn eine hypertechnologisch aufgerüstete militärische Supermacht die peripheren Modernisierungsruinen des Kapitalismus endgültig dem Erdboden gleichmacht, natürlich nur um der Bevölkerung freedom and democracy zu bringen, wenn sie schon sonst nichts hat. Es ist kaum fassbar, dass diese Leute noch von sich behaupten können, einen gesellschaftskritischen Standpunkt zu vertreten, aber offenbar ist die nie wirklich aufgearbeitete Geschichtsmetaphysik des traditionellen Marxismus in ihrer Verfallsform durchaus kompatibel mit dem wahnhaften westlich-demokratischen Sendungsbewusstsein nicht nur der Bush-Regierung. Zu finden ist dieses Sendungsbewusstsein in etwas feiner dosierter Form auch in den Kommentarspalten aller deutschen (und überhaupt vieler westlicher) Zeitungen, von der Welt bis Jungle World und insbesondere in der liberalen Zeit, ebenso wie natürlich bei allen politischen Parteien. Das liegt einfach daran, dass es sich dabei um die Krisenverarbeitungsform des Fundamentalismus der westlichen Werte handelt, der sein gesellschaftliches Bezugssystem mit aller Gewalt – und zwar buchstäblicher militärischer und polizeilicher Gewalt – aufrecht erhalten will, wo seine strukturellen Grundlagen längst unwiderruflich zerbrechen.

Natürlich ist nicht jeder, der mit Leuten diskutiert, die solches vertreten, gleich dem Lager des Bellizismus zuzuschlagen. Die Abgrenzung gegenüber den völlig übergeschnappten Gestalten wie Justus Wertmüller gehört sowieso längst zum guten Ton in der betreffenden Szene. Aber das Spiel ohne Grenzen, das da gespielt wird, erinnert fatal an den Mechanismus, nach dem sich die "normalen" demokratischen Parteien mit allerbestem Gewissen von den Neonazis abgrenzen, nur um dann deren Positionen in mehr oder weniger abgemilderter Form zu übernehmen. Ein Vergleich (keine Gleichsetzung), der sich einfach aufdrängt und zwar bis hinein in die habituellen Formen und die Art und Weise, wie die Kritik an diesem "Konsens der Demokraten" empört zurückgewiesen wird.

Der eigentliche Skandal aber besteht in dieser Art des "Pluralismus", der einfach gar nichts mehr mit einer notwendigen Offenheit gesellschaftskritischer Debatte zu tun hat. So wenig es eine gemeinsame Diskussionsplattform mit Antisemiten geben kann, so wenig mit Bellizisten, die substantiell den gleichen Standpunkt vertreten wie die fundamentalistischen Kulturkrieger des Abendlandes. Hier einen klaren Strich zu ziehen war die Intention von "Das Spiel ist aus", die ich vollkommen uneingeschränkt teile. Dass eine solche Abgrenzung nicht ohne allerschärfste Polemik vollzogen werden kann, müsste sich eigentlich von selbst verstehen. Dabei geht es keinesfalls darum, eine monolithische "Linie" durchzusetzen, wie es der Vorwurf des "Stalinismus" gegen uns unterstellt, sondern ganz im Gegenteil darum, wieder den Raum für einen notwendigerweise kontroversen Diskurs zu öffnen, durch den die radikale Gesellschaftskritik endlich wieder da ankommt, wo sie hingehört: auf die Höhe der Zeit; und damit sie wieder in die Lage versetzt wird, sich mit sozialen Bewegungen zu vermitteln ohne sich im Geringsten bei ihnen anzubiedern. Die Kritik an der verkürzten Kapitalismuskritik und dem damit verwobenen, teils latenten, teils offenen Antisemitismus (aber eben auch Rassismus, Sexismus und anderen regressiven Verarbeitungs- und Ausdrucksformen des warenförmigen Subjektivität) ist heute in der Tat unverzichtbarer denn je. Aber gerade deshalb darf sie nicht länger Leuten überlassen werden, die sie durch ihren Bellizismus oder durch ihre Kompromisse mit diesem entwerten.

Eine Erneuerung des gesellschaftskritischen Diskurses ist solange nicht möglich, wie der Bellizismus als "bedenkenswerte" Position behandelt wird, über die man doch gefälligst ernsthaft und in aller Unaufgeregtheit diskutieren solle, während man damit in Wirklichkeit schon dessen grundsätzliches Bezugssystem akzeptiert, ohne es selbst recht zu merken. Dass damit endlich Schluss sein muss, heißt natürlich nicht, sich bloß moralisch abzugrenzen. Die Logik die hinter der Legitimierung der "Weltordnungskriege" steht, muss in aller Schärfe analysiert und kritisiert werden. Dazu gehört auch die Frage nach ihrer subjektiven Anschlussfähigkeit für einen bestimmten Typ postfordistischer Individualität in den Metropolen, ein Aspekt, auf den Holger Schatz völlig zu Recht, hinweist und der noch viel genauer untersucht werden müsste (auch die Verdrängung oder gar Diffamierung der "sozialen Frage" in der gleichen linken Szene gehört in diesen Kontext). Aber es geht einfach nicht an, sich mit Vertretern solcher Positionen in eine Art habermasianischen Diskursraum zu begeben, so als würden sie nicht einen hochtechnisierten Massenmord legitimieren, der gerade jetzt wieder täglich begangen wird. Schließlich geht es hier nicht um eine theoretische Differenz über, sagen wir, den Fall der Profitrate oder den Subjektbegriff bei Adorno, sondern um eine ganz essentielle, praktische Frage, die das Grundverständnis emanzipatorischen Denkens berührt. Merkwürdig genug, dass dies extra betont werden muss.

2.

Nun mag es durchaus sein, dass die Charakterisierung des Münchner SPOG-Kongresses als einer Art bewusster Inszenierung des "antideutschen" Sektenwesens, bei der die übrige linksradikale Szene sozusagen nur das Mobiliar stellen soll, die Sache tatsächlich nicht trifft. Sehr gut möglich, dass sich da gewissermaßen hinter dem Rücken der Veranstalter und der Beteiligten "etwas hergestellt hat", was keinesfalls bewusst geplant war, aber genau jenen stummen "Konsens der Demokraten" widerspiegelt, von dem ich oben gesprochen habe. Zwar wird die Sache dadurch nicht viel besser, aber es ist dann doch eine Akzentverschiebung und Präzisierung der Kritik an diesem Punkt erforderlich. Betrachten wir den Aufruf zum Kongress, so kann ich jedenfalls beim besten Willen nicht feststellen, inwiefern er sich "grundsätzlich positiv auf die Möglichkeit und Notwendigkeit" einer "Weiterentwicklung" der Anti-Globalisierungsbewegung beziehen soll, wie Holger Schatz schreibt. Vielmehr wird diese durchgängig denunziert, als entweder reformistisch verblödet oder antisemitisch und "nationalrevolutionär" durchseucht (letztere Vorwürfe gerade noch durch den Zusatz "nicht selten" relativiert). Natürlich ist diese Kritik nicht einfach falsch, aber hier reduziert sie sich auf das erneute Abspulen altbekannter Denunziationen (bezeichnenderweise schreit hier niemand: "übler Stalinismus"), die eigentlich nur noch dazu dienen, die betreffende Szene in ihrem subkulturellen Wir-Gefühl zu bestätigen. Dass dabei auch die immergleichen Streits und gegenseitigen Beschuldigungen vorprogrammiert sind, gehört wie bei jedem guten Familientreffen selbstverständlich dazu und fördert letztlich selber noch die Identitätsstiftung.

Es gehört zur denunziatorischen Methode, dass sie sich gerne des Mittels der Assoziation bedient. Das erlaubt es erstens jeden Beliebigen zum Feind, Verräter, Abweichler oder was auch immer Bösartiges zu erklären. Zweitens kann man sich so sehr einfach gegen Kritik immunisieren und zur Not immer auf den Standpunkt zurückziehen, man habe dieses oder jenes ja gar nicht gesagt, der Kritiker bilde sich das alles nur ein. Und schon ist die Beweislast umgekehrt und wer die Denunziation als solche benennt, steht als derjenige da, der unter Halluzinationen leidet. Genau so funktioniert der letzte Absatz des Kongressaufrufs, wo wir lesen: "In einer Zeit, in der neofaschistische Demonstrationen mit ‚internationalistischen’ Parolen und subkulturellem Habitus durchgeführt werden; in einer Zeit, in der Linke und Rechtsextreme sich mit der Mehrheit des deutschen Nationalkollektivs einig sind, dass den von der Globalisierung unterdrückten ‚Völkern’ die Sympathien zu gehören haben; in einer Zeit der kulturellen Renationalisierung als Konzept gegen den angeblichen amerikanischen Kulturimperialismus; in einer Zeit, in der sich ein Großteil der identitätsstiftenden Auseinandersetzung über die sogenannte Globalisierung auf dem Niveau von Indymedia-Postings bewegt, wollen wir den Gegen- und Zustand der globalisierungskritischen Bewegung in drei thematischen Blöcken beleuchten."

Nehmen wir nur den Wortlaut, könnte man natürlich sagen, hier stehe gar nicht, die Anti-Globalisierungsbewegung sei sich mit den Rechtsextremen im nationalistischen und völkischen Wahn einig. Aber genau das wird natürlich durch die Aneinanderreihung überdeutlich suggeriert. Wer zur Szene gehört, versteht die Botschaft; eine Andeutung, ein Augenzwinkern genügt und man ist sich einig. Sehr merkwürdig, dass ausgerechnet Leute, die genau diesen Mechanismus am Rassismus und Antisemitismus der modernen Rechtspopulisten, die ja auch nie gesagt haben wollen, was jeder ganz genau verstanden hat, dass genau diese Leute dem selben Mechanismus völlig blind gegenüberstehen, wenn sie ihn selbst anwenden. Aber wahrscheinlich ist das wirklich keine "böse Absicht" und läuft jedenfalls nicht mehr wirklich bewusst ab, sondern hat sich als Habitus und Haltung so verallgemeinert, dass "es" gar nicht mehr auffällt. Die "antideutsche" Denunziation hat sich sozusagen längst im Unbewussten sedimentiert und funktioniert nach dem gleichen Prinzip als stummes Apriori wie der moralische Imperativ bei Kant und das Gesetz des Vaters bei Freud.

Genau das macht ja den Erfolg der Hardcore-"Antideutschen" um die theoretische Selbstmordsekte der Bahamas aus. Es ist ihnen gelungen, der Szene ein Überich zu implantieren, dass immer schon Regie führt, auch wenn kein einziger bahamotischer Tugendwächter in der Nähe ist; und das osmotisch ja fast schon mechanisch auf die Signale reagiert, die regelmäßig in den "antideutschen" Verlautbarungsblättern ausgesendet werden. Insofern ist es auch keineswegs nur "typisch deutsche Paranoia", wenn die Bahamas-Redaktion, wie Holger Schatz schreibt, sich damit brüstet, große Teile des postautonomen Spektrums auf ihre Seite gezogen zu haben, um ihnen dann sofort den Kampf anzusagen und sie des klammheimlichen Antisemitismus zu bezichtigen. Das ist keine Paranoia, sondern System – egal ob es nun bewusst angewandt wird (was man bei den erfahrenen Sektenpolitikern der Bahamas getrost unterstellen kann) oder sich aus der Dynamik der szene-internen Identitätsbildung "herstellt". Eigentlich ist der Mechanismus doch extrem simpel, ja geradezu plump, weil in jedem autoritären Elternhaus und überhaupt in jeder autoritären Institution gang und gäbe. Die Kinder oder Insassen werden solange durchgeprügelt und unter moralischen Druck gesetzt, bis sie entweder wie Automaten funktionieren oder es irgendwann nicht mehr aushalten und abhauen. Oft sind es aber gerade diese scheinbaren Rebellen, die ihren Vätern am ähnlichsten werden. Dass sie die Haustür hinter sich zuknallen, heißt ja noch lange nicht, dass der "Erziehungsauftrag" misslungen wäre. Die mittlerweile obligate Abgrenzung gegenüber den Wertmullahs hat insofern nicht selten den Charakter einer Selbstbehauptung gegenüber einem als übermächtig empfundenen Vater, dessen moralischer Erpressung man sich einfach nicht entziehen kann, weil man ihn als innere Instanz immer mit sich herumträgt. Die gesamte klassische bürgerliche Literatur ist voll von den Zeugnissen eines solchen unglücklichen Bewusstseins.

Deshalb braucht es auch nicht unbedingt bewusste Strippenzieher um die Organisatoren des SPOG-Kongresses dazu zu bringen, in ihrer Kongressankündigung genau jene suggestiven Denunziationsmethoden anzuwenden, die Leute wie Wertmüller oder Pankow zur Perfektion entwickelt haben, ohne dass dies in der angesprochenen Szene anscheinend weiter auffällt, geschweige denn skandalisiert würde. Pankows Artikel in der aktuellen Ausgabe von Konkret, in dem er durch einen Aneinanderreihung von Syllogismen und Assoziationsketten Robert Kurz auf perfide Weise des Antisemitismus bezichtigt, ohne dies in allerletzter Konsequenz auszusprechen – man kennt ja sein Publikum – sei nur als ein beliebig herausgegriffenes Beispiel für einen Schmutzschwall sondergleichen genannt, der sich seit vielen Jahren über die deutsche Linke ergießen darf (die mittlerweile obligaten rassistischen und homophoben Ausfälle gegen "den Moslem" als solchen inklusive), ohne dass dies den längst fälligen Aufschrei der Empörung ausgelöst hätte. Stattdessen erklärt man solche in der Wolle gefärbten Hetzer wenn schon nicht höchstpersönlich, dann doch in Gestalt ihrer Sekundanten (auf dem SPOG-Kongress etwa in Gestalt von Stephan Grigat) zu "Diskussionspartnern" deren "Meinung" man doch bitte ernsthaft zur Kenntnis nehmen solle um sie dann ganz "sachlich" zu kritisieren.

Es wäre ein Wunder, wenn sich eine solche Linke nicht längst bei diesen "Diskussionspartnern" mehr oder weniger stark angesteckt hätte. Sollte dies den Organisatoren des Kongresses und denen, die sie jetzt verteidigen, tatsächlich nicht aufgefallen sein, dann allerdings wäre ihre dringlichste Aufgabe, sich erst einmal ideologiekritisch mit der eigenen Ideologiekritik auseinander zu setzen, statt ein weiteres Mal im Gestus eines angeblich überreflektierten Bescheidwissens über die sozialen Bewegungen Gericht zu sitzen.

3.

Wenn aber jemand einen mehr als berechtigten Wutanfall über diesen unerträglichen Zustand dieser "radikalen Linken" bekommt, ist die Aufregung über Stil und Duktus groß. Völlig indiskutabel sind natürlich die entsprechenden Anwürfe von Leuten, die überhaupt nichts dabei finden, sich mit "antideutschen" Kriegshetzern und Gewohnheitsdenunzianten gemein zu machen. Aber für all diejenigen, die, wie Holger Schatz, tatsächlich die Sorge um einen weiteren Verfall der linken Diskussionskultur umtreibt, sei hier angemerkt, dass natürlich niemand von uns den Text "Das Spiel ist aus" für das Muster hält, nach dem innerlinke Kommunikation grundsätzlich funktionieren sollte. Er entspricht dem Anlass. Nicht mehr und nicht weniger. Der derzeitige Zustand der radikalen Linken schreit nach einer klaren Abgrenzung und die erreicht man nicht durch ein freundliches Gesprächsangebot an die Adresse derjenigen, mit denen gebrochen werden muss. Eine mit diesem Ziel verfasste, scharf zugespitzte Polemik ist bei allem, was an ihr im einzelnen kritisiert werden mag, ganz eindeutig etwas grundsätzlich anderes, als ein Kommunikationsstil der die Denunziation zum System perfektioniert hat und der nur noch nach diesem Schema funktionieren kann, bis er endgültig leer dreht. Dieser Unterschied sei betont angesichts der aufgeregten Gleichsetzung von Krisis und Bahamas in Bezug auf Stil und Duktus. Schon der Vorwurf an sich zeigt, wie sehr es der "antideutschen" Agitation schon gelungen ist, die Maßstäbe der Beurteilung zu verschieben. Normalerweise müsste ein kurzer Blick in die jeweilige Publizistik genügen, um den Vergleich ins Lächerliche zu ziehen.

Es gäbe noch viel zu sagen, aber das Karussell der Debatte dreht sich derzeit zu schnell, um noch weiter und grundsätzlicher auszuholen. Gelegenheit dafür wird es wohl in der nächsten Zeit noch genug geben. Denn immerhin ist der notwendige Streit in Gang gekommen und der längst überfällige Bruch mit dem Bellizismus und seinen Händchenhaltern in der Linken deutet sich an. Die ersten Reaktionen zeigen jedenfalls, dass es durchaus ein breites Potential für einen neuen und kontroversen Diskurs radikaler Gesellschaftskritik jenseits der "antideutschen" Vergatterung gibt. Es scheint so, als habe ein Großteil derjenigen die den falschen "Pluralismus" bisher noch mittragen, selber schon lange die Nase voll davon. Wenn das stimmt, dann ist es allerdings an der Zeit, sich einmal kräftig zu schneuzen um endlich wieder freier atmen zu können.

Nürnberg, den 5. April 2003